Tala lebt mehr in London als in Jordanien und bemüht sich, jenseits des Familienbetriebes, ein eigenes Leben aufzubauen, das es ihr ermöglicht, für sich selbst zu sorgen. Immer wieder versucht sie, dem strengen Regiment ihrer Mutter zu entkommen, der es einzig darum zu gehen scheint, was die Gesellschaft von ihr und ihrer Familie denkt. Das persönliche Glück ihrer Töchter hingegen ist zweitrangig.
Zum vierten Mal richtet Talas reiche Familie nun schon ihre Verlobung aus und hoft inständig, dass es dieses Mal auch zur geplanten Hochzeit kommt. Immerhin ist der Bräutigam doch ein wahrer Traummann, der keine Wünsche offenlässt.
Doch allein die Vorstellung, den Rest ihres Lebens in Amman unter den Augen ihrer einflussreichen Familie zu verbringen, schürt unangenehme Gefühle in Tala.
Inmitten der Hochzeitsvorbereitungen trifft Tala in London ihren alten Freund Ali wieder, der ihr seine Freundin Leyla vorstellt. Leyla ist eine interessierte und vor allem interessante junge Inderin, die sich lieber dem geschriebenen Wort hingibt als der langweiligen Arbeit in der Firma ihres Vaters.
Vom ersten Augenblick an geraten die beiden jungen Frauen in aufwühlende Gespräche über Familie, Glauben und Freiheit. Die Spannung ist spürbar und doch gehen sich die beiden fortan nicht mehr aus dem Sinn.
Sowohl Tala als auch Leyla spüren, dass die Zuneigung, die sie der jeweils anderen entgegen bringen, mehr ist als bloße Freundschaft und Interesse. Die beiden nähern sich einander an, überschreiten Grenzen, geniessen die gemeinsame Freiheit – jedoch nur kurz.
Tala wagt es nicht, zu ihren Gefühlen zu stehen. Während Leyla den Mut aufbringt, ihrer muslimischen Familie zu gestehen, dass sie lesbisch ist.
Während Tala unweigerlich auf ihre Hochzeit zusteuert, beginnt Leyla ihr nun nicht mehr heimliches Liebesleben auszuprobieren.
In Gedanken immer wieder beieinander, leben die beiden aneinander vorbei und tragen sich doch im Herzen. Aber kann eine so junge, so zarte Liebe die Grenzen der Religion und der Tradition einfach so und unbeschadet überschreiten? Hat eine solche Liebe überhaupt eine Chance oder richtet der gesellschaftliche Druck einen zu Grunde…?
Shamin Sharif ist seit ihrem Debüt Die verborgene Welt dafür bekannt, nicht einfach nur Liebesgeschichten zu schreiben. Sie schreibt Geschichten mit Geschichte. Mit echten Personen und wohl recherchiertem Hintergrund. Es geht immer um die Menschen, ihre Religion, ihre Herkunft und ihren Platz in der Welt. Es geht um reelle Hindernisse und Schwierigkeiten, die gerade Frauen aus Indien oder, wie in diesem Fall, Jordanien, überwinden müssen, wenn sich sich zu ihrer lesbischen Liebe bekennen wollen.
Sarif geht es nicht darum, auf Biegen und Brechen ein Happy End zu kreieren. Es geht ihr um Wahrhaftigkeit. Um Glaubwürdigkeit und um die Schönheit der Liebe.
Ihre Worte reissen uns aus dem Alltag in die drückende Hitze von Amman und in die pulsierenden Viertel von London. Sie nimmt uns mit an die Schauplätze ihrer Geschichten. Lässt uns ganz nah sein bei den Frauen, um die es geht.
„Mitten ins Herz“ ist sehr viel tiefsinniger als der Titel verheißen mag. Und sehr viel besser als der Film, der auf diesem Roman basiert.
Die Geschichte berührt und fesselt. Und ist leider, wie alle Geschichten von Sarif, viel zu schnell ausgelesen.
Shamim Sarif, die als eine der vielversprechendsten jungen britischen AutorInnen gilt, stammt aus einer südasiatisch-südafrikanischen Familie und lebt mit ihrer Lebensgefährtin Hanan Kattan und ihren beiden Söhnen in London. Die verborgene Welt ist ihr erster Roman. Er wurde von der Kritik hoch gelobt, mit mehreren renommierten Preisen ausgezeichnet und inzwischen mit Lisa Ray und Shetal Sheth in den Hauptrollen unter dem Titel The World Unseen sehr erfolgreich verfilmt. Shamim Sarifs zweiter Roman, Das Leben, von dem sie träumten erschien im Sommer 2010. (Quelle: Verlagsinfo)