Ich gebe es ja zu – ich habe es so gar nicht mit Krimis. Das Einzige, was in dieser Richtung in mein Haus kommt, ist der sonntägliche Tatort und ich glaube kaum, dass das wirklich etwas mit Krimis zu tun hat.
Wenn ein Roman dann also auch nur ansatzweise vermuten lässt, dass er kriminalistische Inhalte hat, lese ich ihn eigentlich nicht. Bei Sarah Waters ist das natürlich etwas anderes. Ich LIEBE Sarah Waters. Kaum einen Roman habe ich so sehr verschlungen wie Die Muschelöffnerin.
Deshalb konnte ich mir also auch sicher sein, dass mich Solange Du lügst begeistern würde. Wie sehr allerdings, ahnte ich nicht…
Susan Trinder nennt im England des 19. Jahrhunderts das Waisenhaus der nicht ganz lupenreinen Mrs. Sucksby ihr Zuhause. Neben schreienden Babys, gehen vor allem zwielichtige Gestalten in dem Haus ein und aus. Aber auch der vermeintlich aalglatte „Gentleman“ taucht immer wieder auf und er ist es auch, der mit Susan den Plan schmiedet, sich als Zofe bei der jungen Erbin Maud Lilly einzuschleusen und dort die Begehren von Richard Rivers (Gentleman) zu unterstützen. Maud soll dazu gebracht werden, Richard zu heiraten, um diese anschließend in die Irrenanstalt und um ihr Vermögen zu bringen.
Eine klassische Kriminalgeschichte? Mitnichten. Denn vor dem Hintergrund des Komplotts entwickeln Susan und Maud zärtlich-intensive Gefühle füreinander. Es bildet sich ein unsichtbares aber starkes Band, das die beiden miteinander verbindet und sie die Düsternis im Haus des verstaubten Onkels von Maud ertragen lässt.
Susan gerät ins Wanken und ist sich nicht mehr sicher, ob der Preis, den sie für das Vermögen zahlen soll, nicht zu hoch ist und ob ihre Gefühle für Maud nicht längst viel zu intensiv sind, um ihr derart schaden zu können, wie Richard und sie es geplant haben.
Doch am Ende ist es Richard, der sie an ihre Vereinbarung erinnert und schließlich dazu bringt, den Plan skrupellos weiterzuverfolgen…
Solange Du lügst ist viel mehr als ein Kriminalroman. Aber selbst, wenn es sich hierbei nur um einen Krimi handeln würde, wäre er phantastisch. Die Leserin wird immer wieder überrascht, hinters Licht geführt und zum Mitfiebern animiert. Nichts ist auch nur annähernd vorhersehbar und es ist wirklich unglaublich, wie gut Sarah Waters ihre Figuren konzipiert hat. Es gibt nicht einen Moment der Unglaubwürdigkeit. Alles ist nachvollziehbar. Die Personen sind authentisch und die Geschichte ist packend und ergreifend.
Bis zuletzt habe ich um das Schicksal der beiden Frauen gezittert. Habe mich gefragt, welche Wendung auf der nächsten Seite auf mich wartet. Nie war ich wirklich auf dem richtigen Weg, hinter die wirkliche Geschichte zu schauen und so war dieser Roman von Sarah Waters, wieder einmal, eine Offenbarung. Pure Leselust und Freude. Diesmal gemischt mit einer atemberaubenden Spannung, die zeitweise kaum auszuhalten ist. Die es sich aber auszuhalten lohnt.
Leider ist auch dieses Buch viel zu schnell ausgelesen, da ich nicht in der Lage bin, mich loszureißen und es wohl dosiert zu mir zu nehmen. Zum Glück gibt es Nachschub – sowohl von Sarah Waters als auch im Verlag Krug und Schadenberg.
Sarah Waters wurde 1966 in Wales geboren und lebt heute in London. Sie studierte an der Lancaster University und promovierte in Englischer Literatur. Ihre Dissertation mit dem Titel Wolfskins And Togas: Lesbian And Gay Historical Fiction – 1870 to the Present diente ihr als Inspiration und Fundus für ihr belletristisches Schreiben. Seit 1998 hat sie fünf umfangreiche Romane veröffentlicht, darunter Die Muschelöffnerin (Tipping the Velvet) und Solange du lügst (Fingersmith), die beide mit großem Erfolg verfilmt wurden. Sarah Waters gilt als eine der renommiertesten britischen GegenwartsautorInnen und wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. (Quelle: Verlagsinformationen)
Tolles Buch. Kann ich nur bestätigen.